Fünf falsche Vorstellungen über den Gesetzesentwurf „Schöpferische Inhalte und Internet“

1. Die Überwachung der elektronischen Kommunikation

Die oberste Behörde HADOPI Haute Autorité pour la Diffusion des Oeuvres et la Protection des Droits sur l'Internet"), die mit der Bekämpfung der Piraterie beauftragt ist, wird nicht für eine generelle Überwachung oder eine Überwachung der Kommunikationsnetze und Internetuser zuständig sein, ebenso wenig wie die Internetprovider. Wie dies inzwischen bereits der Fall ist, gehen alle Verfahren von der vereinzelten Feststellung aus, dass bei einem bestimmten Werk illegales Herunterladen vorliegt.

Die « Werke » werden also einzig durch deren Urheber überwacht, und nur die Feststellung ihres Raubs im Rahmen von Protokollen, die von der nationalen Kommission für Informatik und Datenschutz genehmigt wurden, kann zu einer Versendung von Verwarnungen und eventuell zu einer zeitweiligen Sperren des Internetzugangs führen.

2. Die „Kriminalisierung“ der Internetuser

Der Entwurf zielt im Gegenteil darauf ab, die Zugangsberechtigten und Internetuser von kriminellen Pfaden abzubringen.

Die einzige Möglichkeit, die den Unternehmen und Urhebern gegeben wird, deren Werke der Piraterie zum Opfer fielen, ist, vor Gericht auf das Delikt der Nachahmung zu plädieren. Der Internetuser setzt sich also einer strafrechtlichen Verfolgung aus, mit der Möglichkeit der Sanktion beim ersten illegalen Herunterladen. Die Gerichte verhängen gegen die Piraten Strafen, die sich auf mehrere Tausend Euro belaufen und manchmal zusätzlich mit Gefängnisstrafen einhergehen.

In Zukunft wird sich der Kampf vorwiegend auf pädagogischer Ebene abspielen, da jeder Sanktion zwei Verwarnungen vorangehen; die zweite Verwarnung wird per Einschreiben versendet, um sicherzugehen, der der Abonnent Kenntnis von den Vergehen genommen hat, die man ihm vorwirft. Der Regierungsentwurf muss ab dieser Vorbeugungsphase wirksam sein: Eine IPSOS-Umfrage in Frankreich im Mai 2008 und eine Studie des gleichen Typs im Vereinigten Königreich im März 2008 zeigten, dass 90% der befragten Personen nach zwei Verwarnungen die Piraterie einstellen würden.

Der Rückgriff auf den Richter bleibt möglich, doch wird er den neuen Maßnahmenkatalog nur ergänzen: Er dient dazu, Fälle massiven Betrugs jener zu bearbeiten, die sich der Piraterie zu lukrativen Zwecken bedienen, oder auch jenen, die Techniken zur Ermöglichung des Dateiraubs entwickeln.


3. Die Beeinrächtigung der Grundfreiheiten

Der Entwurf zielt im Gegenteil darauf ab, das derzeit gestörte Gleichgewicht zwischen zwei Grundrechtsfolgen, die unbedingt aufeinander abgestimmt werden müssen, wiederherzustellen. das Recht auf Eigentum und das moralische Recht der Urheber an ihren Werken zum einen, das Recht auf Beachtung des Privatlebens der Internetuser zum andern.

Dieses Gleichgewicht zwischen den Rechten und Freiheiten eines jeden ist Kernpunkt der Menschenrechtserklärung von 1789. Insbesondere in Artikel 4 steht folgendes: « Die Freiheit besteht darin, alles das zu, was anderen nicht schadet: so ist die Ausübung des Naturrechts eines jeden Menschen lediglich dadurch begrenzt, dass den anderen Mitgliedern der Gesellschaft das Nutzungsrecht eben dieser Rechte zugestanden wird“.

Die Notwendigkeit eines solchen Gleichgewichts zwischen den Schöpfern und der Beachtung des Privatlebens der Internetuser ist außerdem kürzlich auf europäischer Ebene in einem Urteil vom Januar 2008, dem so genannten Promusicae-Urteil, betont worden.

Die zeitweilige Aufhebung des Internetzugangs an sich beeinträchtigt keine Grundfreiheit: es handelt sich um eine Maßnahme, die von den Richtern häufig getroffen wird.

Die Beeinträchtigung des Privatlebens der Internetuser durch die Bekämpfung der Piraterie ist in keiner Weise verfassungswidrig und bietet auf europäischer Ebene keine Schwierigkeit, da sie mit zahlreichen Garantien verbunden ist und an die verfassungsmäßigen Zielsetzungen, die nicht aus den Augen verloren werden dürfen, angepasst wird:

- Der Mechanismus wird durch eine unabhängige Verwaltungsbehörde umgesetzt, die sich als einzige beim Internetprovider die persönlichen Danten - Name und Adresse usw. – des Kunden einholen darf, da diese für das Senden von Verwarnungen absolut notwendig sind. Die Oberste Behörde, die ein Bindeglied zwischen den Hauptakteuren ist, ist kennzeichnend für den französischen Ansatz und schützt das Privatleben besser als andere Erfahrungen im Ausland, bei denen die Internetuser direkt mit den Rechteinhabern oder Internetprovidern konfrontiert werden.

- In dieser Hohen Behörde bearbeitet ein unparteisicher, unabhängiger Ausschuss die Akten: er setzt sich ausschließlich aus Oberen Richtern zusammen und verfügt über Mitarbeiter, deren Unabhängigkeit in Bezug auf die betreffenden wirtschaftlichen Interessen vor deren Einstellung durch Befragungen untersucht wurde.

- Der Umstand, dass der Mechanismus einer unabhängigen Verwaltungsbehörde und nicht einem Richter anvertraut wird, ist juristisch betrachtet kein Problem. Der Verfassungsrat hat mehrfach bestätigt, dass für eine nicht gerichtliche Behörde die Möglichkeit besteht, persönliche Daten zu bearbeiten, sofern das angewandte Verfahren vom Gesetzgeber beaufsichtigt wird und sie beabsichtigt, die Beachtung anderer Verfassungsanforderungen zu gewährleisten - was hier der Fall ist. Der Verfassungsrat war beispielsweise der Meinung, dass die Verbesserung der Qualität der Pflegeleistungen und der Abbau des finanziellen Gleichgewichts der Krankenversicherung die Erstellung einer persönlichen medizinischen Akte durch eine Behörde rechtfertigt.

- Der Entwurf ermöglicht nicht das Einholen neuer Informationen über die Internetuser. Alle Daten, die erforderlich sind, um den von der Hohen Behörde verwalteten Präventionsmechanismus anzuwenden, sind die Daten, die bereits von den Schöpfern und den kulturellen Unternehmen für Gerichtsverfahren eingeholt werden. Diese Datensammlung erfolgt nach den Bedingungen der französischen Datenschutzbehörde CNIL. Der Richter ist nicht mehr der einzige mögliche Empfänger der so erfolgten Feststellung des Sachverhalts: Die Hohe Behörde wird ferner zuständig für deren Benutzung sein, um den per Gesetz eingerichteten Schutzmechanismus anzuwenden.

Der Conseil d’Etat und der Verfassungsrat werden auf jeden Fall jegliche Beeinträchtigung der Freiheit seitens der Regierung oder des Gesetzgebers melden. Der Conseil d’Etat hat Stellung genommen und den Entwurf vom 12. Juni befürwortet.


4. Der Entwurf läuft den Interessen Europas entgegen

Die Stellungnahme des europäischen Parlaments vom 10. April 2008 gegen die Aufhebung des Internetzugangs ist offensichtlich unbegründet. Die Abstimmung über den « Bono-Änderungsvorschlag“ wurde von einer knappen heterogenen Mehrheit (314 gegen 297 Stimmen) angenommen in Bezug auf einen Bericht über die Kulturindustrien ohne jegliche rechtsbegründende Wirkung. Vor allem die Debatten vor dessen Annahme zeigten, dass die europäischen Abgeordneten nicht wirklich über das französische Einsatzmittel informiert waren und zu Recht: Der Gesetzesentwurf war weder fertig gestellt noch beim Conseil d'Etat eingereicht worden. Vor diesem Hintergrund hat der Verfasser des Änderungsvorschlags drei Gründe in den Vordergrund gestellt: « die Kriminalisierung der Internetuser », die « generelle Überwachung der Kommunikationsnetzwerke“ und die Einschränkung der Freiheiten: Bei diesen drei Themen nimmt man Bezug auf die Entwicklungen der Punkte 1, 2 und 3 oben.

Das Europäische Parlament hat unterdessen die gegenteilige Meinung der Antrags vom 10. April vertreten, da die Kulturkommission, die am 2. Juni zwei Änderungsvorschläge im „Telecom Paket“ mit gleichem Gehalt untersuche hatte, mit großer Mehrheit abgelehnt hatte.

Der französische Ansatz dagegen erregte bei vielen Mitgliedsstaaten lebhaftes Interesse.
Eine erste Debatte am 21. Mai während des Zusammentretens des Rates der Europäischen Gemeinschaft zu seiner Fortbildungsveranstaltung „Kultur und audiovisuelle Medien“ bewirkte zahlreiche positive Reaktionen. Die Kommission ihrerseits hat zu diesem Thema am 3. Januar 2008 eine Mitteilung vorgelegt, der eine Empfehlung an die Mitgliedsstaaten folgen soll.


5. Die « generelle Netzwerkfilterung“

Im Entwurf wird nichts dergleichen vorgesehen. Die eventuelle Verbreitung von Filtertechniken muss nach Absprachen mit dem Elysée vom 23. Oktober 2007 Gegenstand eines gutwilligen Experiments zwischen den Kultur- und Internetakteuren über einen Zeitraum von zwei Jahren sein. Für die Öffentlichen Behörden gibt es also keinen Anlass, bei diesem Punkt einzugreifen, solange die Parteien diese Pflicht beachten.

Im Entwurf « Schöpferische Inhalte und Internet » werden lediglich die Maßnahmen angesprochen, die der Richter in Zukunft vereinzelt fallweise treffen kann, um die Wiederholung eines Verletzung der Rechte auf literarisches und künstlerisches Eigentum durch einen Online-Kommunikationsdienst einzustellen oder zu verhindern. Diese Maßnahmen, die in Artikel L. 332-1 4. Absatz des frz. Gesetzbuches über geistiges Eigentum vorgesehen sind, können in einer Rücknahme oder Aufhebung des geschützten Werkes oder einer Filterung des Zugangs zum Kommunikationsdienst bestehen. Die Absprachen im Elysée sehen das Prinzip des Transfers der Zuständigkeit an die Hohe Behörde vor, um diese Maßnahmen zu ergreifen.

Es wurde dennoch deutlich, dass das verfolgte Ziel – nämlich zu ermöglichen, dass die notwendigen Entscheidungen schnell und effizient getroffen werden – hätte erreicht werden können, indem man das Verfahren vor dem Richter verbessert hätte. Das ist genau das, was im Gesetzesentwurf geschieht, indem eine Entscheidung im einseitigen Antragsverfahren ergeht anstelle der derzeitigen Architektur, d.h. eine Entscheidung ohne kontradiktorischen Austausch zwischen den Parteien, verbunden mit der Pflicht, innerhalb kurzer Zeit einen Prozess zur Hauptsache einzuleiten – ein Verfahren in der Form von Verfahren wegen einstweiliger Anordnung, die schnell und kontradiktorisch erfolgen. Diese Vorkehrungen werden durch die bald anstehenden

Erlasse ergänzt, die die Neuaufteilung des französischen Territoriums in verschiedene Gerichtsbezirke („carte judiciaire“) reformieren, was die Konzentration des Rechtssachen auf dem Gebiet des literarischen und künstlerischen Eigentums auf eine beschränke Anzahl von spezialisierte Gericht ermöglicht.